Der zweier Landsturm im I. Weltkrieg

Die Organisation

Nach dem Landsturmgesetz vom 6. Juni 1866 verfügte Österreich über eine einheitliche Landsturmorganisation welche mit der Mobilmachung 1914 aufgerufen wurde um das k.u.k. Heer und die k.k. Landwehr im Kampf zu unterstützen.

Landsturm 1914: Frisch assentierte Landsturmmänner mit Blumen und „Rekutensträußerln“ geschmückt

Der Landsturmbezirk Nr. 2 umfasste Oberösterreich und Salzburg. Im Frieden wurden alle Landsturmpflichtigen Männer vom Landsturm-Bezirkskommando Linz Nr. 2 mit einer Expositur in Salzburg in Evidenz gehalten. Die Aufgabe des Bezirkskommandos war die Durchführung der Grundbuchbewegungen und der Evidenthaltung der Landsturmpflichtigen. Für diese Tätigkeiten standen in der Friedenszeit ein Personal von

2-3 Offizieren, 4–6 Unteroffizieren und 6-8 Infanteristen (heute würde man sagen „Systemerhalter“) für Magazinarbeiten zur Verfügung.

Bei der Expositur in Salzburg waren 1 Hauptmann, 2 Unteroffiziere und  2-4  Infanteristen beschäftigt.

2 Waffenmeister versahen die Waffenkonservierung in den Landsturmmagazinen Linz und Salzburg wo auch die Bekleidung und Ausrüstung für das Landsturm-Infanterieregiment Nr. 2 aufbewahrt wurde.

Vivat Band

Für die Eisenbahnsicherungs-Abteilungen und Gendarmerie-Assistenzen erforderliche Bekleidung, Uniformen (ältere Sorten) und Waffen und Munition (meist noch einschüssige Werndl Gewehre), waren bei einzelnen Gendarmerieposten aufbewahrt, wo die Ausgabe an die Landsturmmänner des zweiten Aufgebots erfolgte.

Zum Landsturm wurden überwiegend bereits gediente Soldaten und Ersatzreservisten – im ersten Aufgebot im Alter bis zum 37. und im zweiten Aufgebot im Alter zwischen dem 38. und dem 42. Lebensjahr – einberufen. Die Landsturmpflicht wurde 1915 auf das vollendete 50. Lebensjahr ausgeweitet. Waffendienstuntaugliche und auch über 42 Jahre alte Landsturm-Männer wurden zu Landsturm-Arbeiterabteilungen einberufen.

Für den Landsturm waren folgende Aufgaben vorgesehen: Verstärkung der aktiven Truppen des k.(u.)k. Heeres, Entlastung der Kampftruppen von Hilfsdiensten im Hinterland und die Beistellung von Bahnsicherungs-Abteilungen und Gendarmerie-Assistenzen für das Hinterland.

Der Gesamtstand des Landsturmbezirks Oberösterreich-Salzburg betrug vor dem Krieg 576 Offiziere, 29.550 Mannschaften, 544 Pferde und 262 Fuhrwerke. In dieser Zahl sind alle Landsturmpflichtigen Personen aller Landsturm Formationen enthalten. Bei jedem der 40 Landsturmbezirke in der ö.u. Monarchie kann die Zahl der 1914 ins Feld abgegangenen Personen durchschnittlich mit je 30.000 angenommen werden, woraus sich eine Landsturm Gesamtstärke in der beachtlichen Stärke von 1,2 Millionen Soldaten ergab. Im ersten Kriegsjahr 1914 gingen alle Feldformationen mit der in den Mobilisierungs-Instruktionen vorgeschriebenen Stärke an die Front. 1915 hatten die Marschkompanien welche zum Auffüllen der Verluste der Feldbataillone an die Front gingen eine Stärke von 2 bis 3 Offizieren und 200 Mann, im Jahr 1916 nur mehr 110 Mann. 1917 mussten von den k.k. Schützenregimentern Nr. 8 und 28 (beide tschechisch) Aushilfskontingente für den Landsturmbezirk Nr. 2 beigestellt werden. Im letzten Kriegsjahr 1918 konnten keine Marschkompanien mehr aufgestellt werden. Man kann daraus schließen, dass der Landsturmbezirk Oberösterreich-Salzburg ab dem Jahresende 1917 nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in personeller Hinsicht vollkommen ausgepumpt war!

Vor dem Abgang ins Feld war es üblich sich beim Fotografen ein Erinnerungsfoto für Angehörige und Kameraden anfertigen zu lassen. Hier beim damals bekannten Fotografen Largajolli in Linz

Zusätzlich wurden im Laufe des Krieges eine größere Anzahl von selbständigen Bataillone formiert über diese es nur sehr unvollständige Aufzeichnungen gibt. Diese wurden als Landsturm-Marsch-, Feld-, oder Infanteriebataillone bezeichnet. Von zumindest 11 dieser Bataillone sind zum Teil sehr spärliche Aufzeichnungen erhalten. Sie wurden an den unterschiedlichsten Kriegsschauplätzen als Lückenfüller und zur Verstärkung eingesetzt.

Mobilisierung

Auf Grund der politischen Ereignisse nach dem Attentat auf den Thronfolger EH Franz Ferdinand im Sommer 1914 kam es am 28. Juli zur Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Die ursprünglich als regionale Strafexpedition gedachte Auseinandersetzung entwickelte sich rasch zum Flächenbrand. Am 1. August 1914 kam es zur Ausgabe des Mobilisierungsbefehls, unter anderem auch für das k.k. Landsturm-Infanterieregiment Nr. 2 (Lst.Inf.Rgt. Nr. 2).

In der unvorstellbaren kurzen Zeit von nur 9 (!) Tagen wurden der Regimentsstab, die Feldbataillone I und II in Linz, die Bataillone III und IV in Salzburg (Morzg-Siegmundskron) samt den Trains aufgestellt und marschbereit gemacht. Der Personalstand dieses „Miliz-Regiments“ stellte sich bei der Mobilisierung wie folgt dar: Nur 8 Offiziere kamen aus dem Aktivstand des k.(u.)k. Heeres; der Regimentskommandant, ein aktiver Oberstleutnant des k.u.k. IR. Nr. 14 Hessen, die Bataillonskommandanten I, II, III, je ein aktiver Stabsoffizier des k.k. Landwehr-Infanterie-Regiments Linz Nr. 2 (LIR. 2), beim IV Bataillon ein Stabsoffizier eines Tiroler Landesschützenregiments. Auch Regimentsadjutant, Proviantoffizier, Regimentsarzt und Truppenrechnungsführer waren aktive Offiziere des LIR. 2. Sämtliche übrigen Stellen, die von alle 16 Kompanie- und 48 Zugskommandanten, die 4 Bataillons-Adjutanten, und 5 Ärzte entstammten der Evidenz des Landsturmbezirkskommandos Linz, also aus dem Reservestand.

Unter den Kompanie- und Zugskommandanten waren auch ehemalige Berufsoffiziere, die sich aber aus beruflichen Gründen schon seit vielen Jahren nicht mehr um militärische Dinge kümmern konnten. Sie waren im Zivilleben meist Beamte, Kaufleute oder Angehörige freier Berufe. Die Unteroffiziere, die als dienstführende Feldwebel oder als Rechnungsunteroffiziere verantwortungsvolle Positionen ausüben mussten, gehörten zumeist älteren Jahrgängen an, bewährten sich dennoch und waren wichtige Stützen ihrer Kommandanten. Auch die Landstürmer, vom Infanteristen bis zum Zugsführer nahmen mit viel Geduld die ersten Mühseligkeiten der Mobilisierung ruhig auf sich. Es waren ehemalig Gediente, welche ihren Wehrdienst, der in der Monarchie 3 Jahre betrug, bei den Einheiten der k.u.k. Infanterieregimenter 14 und 59, bei der Jägertruppe oder des k.k. LIR. Linz Nr. 2 abgeleistet hatten. Es gab aber auch Artilleristen, Kavalleristen und sonstige Angehörige von Spezialwaffen die nach Ableistung der Dienstpflicht dem heimatlichen Landsturmbezirk Nr. 2 zugewiesen wurden. Sehr viele dieser „Alten Diener“ hatten noch nie ein Repetiergewehr des Modell M.95 in der Hand gehabt, sondern hatten ihre Ausbildung noch am einschüssigen Werndl Gewehr. Ihr Alter bewegte sich zwischen 34 und 42 Jahren!

Welche Arbeit an Organisation in diesen ersten 9 Tagen geleistet wurde ist höchst bewundernswert! 127 Offiziere und 3.975 Mann betrug der abmarschierende Stand des Lst.Inf.Rgt. Nr. 2, es wurden die Mannschaften möglichst gleichaltrig auf die Bataillone aufgeteilt und notdürftig instruiert. Der geplante Abtransport des Regiments wurde ohne Zielangabe auf den 15. August verschoben. Diese Verzögerung war vom Regimentskommando sehr erwünscht, da die Tage für weitere Ausbildung und administrative Verbesserungen genützt werden konnten.

Landsturmpass

Bei einer festlich begangenen, mit einer Feldmesse verbundenen Vereidigung am 15. August 1914 standen die Bataillone bereits in strammer Haltung. Die Monturen, durchwegs neu, waren wie in der damaligen Armee üblich in hechtgrauer Farbe, die Rüstung gleich der Landwehr. Jedoch war das Regiment weder mit Maschinengewehren, noch mit Telephon oder sonstigen Verbindungsmaterial ausgerüstet! Auch beim Pferdematerial gab es Probleme, da das Regiment keine zu Kriegsstrapazen geeignete Pferde erhielt.

Die allgemeine Kriegsbegeisterung, welche weite Teile der Monarchie erfasst hatte, trug sicher dazu bei, dass im Laufe des 15. August die einzelnen Transportstaffeln des Lst.Inf.Rgt Nr. 2 in strammer Ordnung und guter Stimmung, umjubelt von der Bevölkerung, von der Linzer „Franck-Fabrik“ zum Bahnhof marschierte. Auf welchen Kriegsschauplatz das Regiment verlegt werden sollte, war den Soldaten erst auf der Reise durch Preßburg zur Ahnung und bei der Auswaggonierung in Tarnow am 18. und 19. August zur Gewissheit geworden: Nach Russland!

Russland – August 1914 bis November 1916

Wegen des ständigen Mangels an Truppen und der Ausweitung des Krieges auf mehrere Kriegsschauplätze wurden die Landsturmverbände neben den Sicherungsaufgaben und entgegen den eigentlichen Bestimmungen auch zu Kampfaufträgen herangezogen. In dem gewaltigen Ringen des ersten Weltkriegs haben sich die Einheiten des Landsturms durchwegs bewährt. Insbesondere die aus dem deutschsprachigen Gebieten der Monarchie stammenden Verbände standen oft in den Brennpunkten der Kämpfe und hielten jeden Vergleich mit Einheiten des k.u.k. Heeres stand. Das k.k. Landsturmregiment Linz Nr. 2 (Lst.Inf.Rgt. Nr. 2) unter dem Kommando von Oberstleutnant Anton Lewandowski bildete zusammen mit dem Lst.Inf.Rgt Wien Nr. 1, einer Salzburger Artillerie-Landsturmbatterie mit 6 modernen Feldgeschützen M 05 und einer Sanitätsanstalt sowie einer Verpflegs- und Munitionskolonne die k.k. 1. Landsturm-Infanteriebrigade.

Im Sommer 1916

Am russischen Kriegsschauplatz machte das Regiment den Vormarsch nach Lublin mit und erhielt dort am 3. September seine Feuertaufe. Mit unzureichender Artillerieunterstützung, ohne Maschinengewehre und ohne Verbindung (das Regiment hatte 1914 auch noch keine Fernsprechmittel) gingen die Landstürmer an den Feind und es kam bis zum Bajonettkampf. Dieses erste, etwa achtstündige Gefecht forderte 375 Abgänge an Toten, Verwundeten und Vermissten, eine Zahl, die deutlich genug über die Heftigkeit dieses ersten Kampfes spricht. Doch diese Verluste sollten nicht die letzten bleiben. Infolge der mittlerweile bei Lemberg eingetretenen Ereignisse für die 1. Armee machte das Regiment den Rückzug bei der 46. Landwehr-Infanterietruppendivision (LITD.) bis Rozwadow am San mit. In diesen harten Kämpfen bis zum 27. September erlitt das Regiment weitere schwere Verluste. 1.778 Mann an Toten, Verwundeten oder Vermissten und 522 Mann an Kranken bedeutete einen Gesamtabgang von 2.300! Nach 38 Kriegstagen und einer Wegstrecke von 470 Kilometer verfügte das Regiment nur mehr über einen Stand von 1.675 Soldaten. Diese besonders hohen Anfangsverluste im ersten Kriegsjahr hatten viele Einheiten zu erleiden – einige Regimenter wurden fast vollständig aufgerieben! Bei den Landsturm-Einheiten gab es zusätzlich viele Abgänge durch Kranke, da viele ältere und ungeübte Personen aus dem Zivilleben die Strapazen des Krieges nicht Stand hielten.

Truppenbesuch eines Generals beim Zweier-Landsturm

Die nächsten Monate brachten für Österreich- Ungarn die gefährlichste Phase des schwersten Ringens auf diesem Kriegsschauplatz. Es folgten zwischen der Weichsel und der Nida sehr verlustreiche Kämpfe, es gelang jedoch den k.(u.)k. Truppen, die „russische Dampfwalze“ aufzuhalten. Bei Krakau und bei Limanowa – Lapanow waren die Schauplätze wo auch die Oberösterreicher und Salzburger bis zum Jahresende kämpfen mussten. Die hohen Verlustziffern erforderten Anfang Jänner eine Neuformierung des Regiments. Es verblieben nur noch 2 Bataillone (anstatt der vorhandenen 4) mit je 3 Kompanien und endlich erhielt das Regiment auch Maschinengewehre zugewiesen, so dass zu jedem Bataillon eine Maschinengewehr Abteilung (MGA) kam.

Maschinengewehr M 7/12 Typ Schwarzlose in gut ausgebauter Stellung

Anfang Februar kam die 1. Landsturmbrigade (Ldst.Brig.) an die Karpathen-Front wo der erste Russlandwinter von den Soldaten die letzten Kräfte forderte. Die fast ununterbrochenen, äußerst verlustreichen Stellungskämpfe dauerten bis Anfang Mai 1915. In diesem Zeitraum fiel auch am 22. März 1915 die Übergabe der Festung Przemysl, wodurch der besondere Druck der Russen auf die Karpathen-Front seine Erklärung findet. Anfang Mai ging die k.u.k Armee wieder in die Offensive, es gelang bei Gorlice – Tarnow ein Durchbruch, danach konnte eine merkliche Abschwächung der russischen Front festgestellt werden. Während der Kämpfe um die Wiedereroberung von Przemysl bildete die Landsturm-Brigade die Reserve für die dort im Kampf stehenden Truppen. Im Juni begannen die Verfolgungskämpfe der im Rückzug befindlichen Brussilow Armee an den Fluss Bug. Nach Stellungskämpfen an der Zlota Lipa nahm das Regiment erfolgreichen Anteil an der Erstürmung von Dobrotwor am 23. und 24 Juli. Es gelang den zähen Widerstand zu brechen und den Gegner aus seinen Stellungen ans östliche Bug-Ufer zu werfen. Bei diesem Kämpfen hatte das Regiment wenig Mannschaft, doch fast die Hälfte der am Kampf beteiligten Offiziere verloren! Im August bezog das Regiment die Bug-Linie bei und wurde dann zur Verfolgung des zurückweichenden Gegners eingesetzt, wo Anfang September bei Mytnica die ehemalige Reichsgrenze überschritten werden konnte.

1916 – Stellung an der Ikwa

Am Fluss Ikwa war es mit dem Bewegungskrieg zu Ende und der Stellungskrieg begann seine ersten Erscheinungsformen zu zeigen: langweilig, in hohem Maße nervtötend und zu mancher Zeit verlustreich. Von September 1915 bis zum Juni 1916 sollte das Regiment in diesem Raum am Westufer der Ikwa verbleiben, wo die ersten Stellungen bezogen wurden. Die Russen hatten ihre brückenkopfartige Stellung am östlichen Flussufer vorgeschoben. Das sumpfige Gelände zwang die Landstürmer zu rastlosem, unermüdlichen Ausbau der Stellungen. Es dauerte einige Monate bis aus den schlammigen, nassen Gräben eine trockene, in jeder Beziehung tadellose Stellung hergestellt werden konnte. Dies konnte nur erreicht werden, weil die Gefechtstätigkeit nahezu ganz fehlte, abgesehen von einigen Schüssen der Artillerie und leichtem Geplänkel der Horchposten in der Nacht. Beim Betrachten alter Fotos aus dieser Zeit fällt auf, mit wie viel Liebe und Details die Unterstände und Stellungen ausgeschmückt wurden – die Soldaten wollten sich das Leben fern der Heimat so erträglich wie nur möglich gestalten. Weihnachten 1915 wurde nach Schützengrabenbrauch gefeiert und der Jahreswechsel 1916 mit Hoffen auf ein baldiges Kriegsende begrüßt. In dieser Zeit wurden die Landsturmkompanien endlich mit Telefongerät versehen und bekamen auch zusätzliche Maschinengewehre zugewiesen. Doch auch diese scheinbar ruhige Zeit forderte in den Monaten November bis Februar verhältnismäßig viele Opfer: 196 Tote, 349 Verwundete und durch die Verbreitung von Ruhr und Cholera auch sehr viele Kranke (440, davon 120 verstorben!). Ein Frontabschnitt war eben überall lebensgefährlich!

Ende Mai 1916 wurden die Russen sehr aktiv, der linke Flügel der Stellungen wurde Tag und Nacht mit Artillerie und Minenwerfer bearbeitet. Dank der gut ausgebauten Stellung blieben die Verluste gering. Einige Tage später gelang es den Russen im Nachbarabschnitt einzudringen und sich dort festzusetzen. Da Gegenangriffe erfolglos blieben und der Druck immer größer wurde kam in der Nacht zum 11. Juni der Befehl, die Stellung zu räumen. Gänzlich unbemerkt vom Feind, konnte die Stellung in vollster Ruhe und Ordnung geräumt, und die schon vorbereitete Stellung östlich von Chotowka bezogen werden. Schon am nächsten Tag begannen die Russen die neue Stellung heftigst anzugreifen und bis am 15. Juni folgten, durch Trommelfeuer vorbereitete Angriffe, die alle abgewiesen wurden. Wieder hatte der Landsturm gehalten, dem Gegner wurden große Verluste zugefügt, wieder gelang den russischen Truppen im nördlichen Nachbarabschnitt durchzubrechen. Um 16.00 Uhr kam der Befehl zum Rückzug, er musste diesmal in Sicht des Gegners, am hellen Tag durchgeführt werden und das Verfolgungsfeuer verursachte schwere Verluste; zwei Kompanien die nicht mehr rechtzeitig die Stellung verlassen konnten, gerieten in Gefangenschaft. Eineinhalb Kilometer hinter der geräumten Stellung gruben sich die Landstürmer ein um weitere Befehle abzuwarten. Der Rückzug der Armee war allgemein geworden. Unbemerkt vom Gegner trat das Regiment, laut Befehl, in der Nacht den Marsch Richtung Brody an. Der über ungefähr 35 Kilometer führende Marsch konnte ohne Feindeinwirkung durchgeführt werden, am Abend erreichte die Truppe Brody wo neue Stellungen bezogen wurden.

Im Juli 1916 nahm das Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 an der Schlacht bei Brody teil. Die Kämpfe, welche zum Teil in dichtem Waldgelände stattfanden, wogten hin und her und endeten mit der Einnahme von Brody durch die russischen Truppen. Der Russe drängte nicht nach und so konnte eine neue Stellung westlich von Brody bezogen werden. Ein letzter Angriff der Russen am 18. August wurde abgewiesen, danach flauten die Kämpfe ab. Der Herbst verlief für das Regiment ruhig, es konnten die Stände wieder auf 3 Bataillone aufgefüllt, Material und Kriegsbedarf ergänzt werden. Am 3. November 1916 traf der Befehl ein, der die k.k. 1. Ldst.Brig. auf den italienischen Kriegsschauplatz beorderte.

Am Isonzo November 1916 bis Oktober 1917

Durch den Eintritt des Königreichs Italien in den Ersten Weltkrieg erfolgte Anfang November 1916 die Verlegung der k.k. 1. Landsturm-Infanteriebrigade an die Südfront. Das k.k. Landsturmregiment Linz Nr. 2 (Lst.Inf.Rgt. Nr. 2) wurde sofort nach der Auswaggonierung in sogenannte „Kantonierungsstationen“ ins Küstenland nördlich von Triest gebracht, um als Armeereserve eine gründliche Ausbildung für den Krieg im Karstgebiet durch zu machen.

In diese Zeit fällt auch der Tod des alten Kaisers (21. November 1916). Der Thronwechsel forderte von den Truppen die Erneuerung des Soldateneides, der in feierlicher Weise, angesichts der donnernden und blitzenden Schlachtfront an einem kalten Dezembernachmittag abgenommen wurde. Ab Ende Dezember zum Stellungsbau an der Isonzofront eingesetzt, bezog das Regiment Ende Jänner 1917 eine Verteidigungsstellung östlich von Görz.

Kappenabzeichen des k.k. Ldst.Inf.Rgt. Linz Nr. 2

Die Situation an der Isonzofront war Ende des Jahres für die k.u.k. Truppen schwierig. Neun schwere Abwehrschlachten hatten immense Verluste an Mensch und Material auf beiden Seiten gefordert. Die Angreifer hatten eine neue Taktik angewendet. Sie stürmten nicht wie in den früheren Schlachten auf der ganzen Front mit dünnen Angriffswellen vor, sondern führten eine tief gegliederte Angriffskolonne auf einer ganz schmalen Front. Eine förmliche Menschensäule rannte gegen die österreichischen Stellungen, bis zu 6 Brigaden hintereinander! Als Ergebnis der letzten Schlachten war es den Italienern nur gelungen ein Loch in der Breite von ca. 10 km Breite und 8 km Tiefe in die Abwehrfront zu schlagen. Am 23. Dezember bezog der 2er Landsturm diese berüchtigte sackartige Stellung und es wurde eifrig weitergearbeitet um die Kampfbereitschaft zu vollenden. Nachdem in den Herbstschlachten von den Italienern auch schon Gasgeschosse eingesetzt wurden, rüstete man die Soldaten mit Gasmaken aus. Erstmals wurden den Truppen auch Stahlhelme gegeben, sie gaben einen gewissen Schutz gegen Splitterwirkung.

Treueschwur auf Kaiser Karl Anfang Dezember 1916

Der Winter wurde zu Rüstungen auf beiden Seiten benützt, zum Bewehren und Festigen der Stellungen. An den vorderen Stellungen waren es Menschenhände welche den schwierigen Kavernenbau durchführten. Weiter rückwärts arbeiteten Bohrmaschinen an den großen Unterkunftsräumen für die Reserven. Doch nicht nur in den Stellungen wurde gearbeitet, sondern auch im ausgedehnten Hinterland; Wege wurden hergestellt, rückwärtige Stellungen wurden angelegt. Gegen das Allernächste und Wichtigste, die Winterkälte, war dagegen der Schutz sehr mangelhaft. Eisig waren die Wintertage, doch man besaß nicht die Mittel um die armen Leute vor Erfrierungen zu schützen. Es fehlte auch an fetter und kräftiger Kost um im Körper die notwendige Wärmemenge zu erzeugen und die Kämpfer für ihre schwere körperliche Arbeit leistungsfähig zu erhalten. Es gab jedoch etliche Patrouillen Unternehmungen auf beiden Seiten und unentwegten Stellungskampf von Artillerie und Minenwerfern. Nur die letzten Wintertage vergingen an der Front ganz ruhig und die eiskalte Bora fegt durch Tag und Nacht. Der 10. März 1917 brachte wieder die Ablösung und das Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 erhielt den Befehl in einen Retablierungsraum nach Zablje abzugehen. Neue Marschformationen, größtenteils slawischer Nationalität, füllten die Bestände wieder auf. Am 27. März erfolgte der Abmarsch in den Abschnitt Panowitz, östlich von Görz. Zwei Bataillone gingen in die Stellung, während ein Bataillon geschützt in der Bajta-Schlucht Unterkunft fand. Am 24. April wieder Ablösung zur Retablierung in Zablje. An der Front nahm die Aktivität der italienischen Artillerie zu, auch die Zahl der Überläufer stieg an und ihre Aussagen zeigten, dass der Beginn der nächsten großen Offensive unmittelbar bevorstand.

Stellung auf Sveta Katarina, Kaverneneingang

Am 9. Mai wurde das k.k. Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 alarmiert. Die schon lange erwartete Offensive wurde jede Stunde erwartet. Die Oberösterreicher kamen zum Verband der 58. ID. unter dem Kommando von FML Erwin von Zeidler, dem Verteidiger von Görz. Das Regiment wurde an einem wichtigen Eckpfeiler der Front eingesetzt. Die zugewiesene Stellung reichte vom Südhang des Monte San Gabriele (Sveta Katarina) bis zum Bahnhof St. Peter, südöstlich von Görz. Am 12. Mai Punkt 4.30 Uhr früh begann die Schlacht mit dem schon bekannten Trommelfeuer entlang der ganzen Front. Weit ins Hinterland drangen die feindlichen Geschosse, auch Gasgranaten waren daruntergemischt. Schon bald deckten Staub und Rauch alles zu, von der ersten Linie war nichts mehr zu sehen. Der Monte San Gabriele glich einem Vulkan, schwere Granaten und Minen hüllten den Karstberg in schwarzgrauen Qualm. Am Nachmittag waren fast alle MG-Stände zertrümmert. Der Feuerorkan hielt die Nacht über an und steigerte sich am 13. Mai zusehends. Am nächsten Morgen erreichte das Feuer einen unvorstellbaren Höhepunkt, es hatte schon empfindliche Verluste bei den vordersten Besatzungen gefordert. Zerschossen und vielfach eingeebnet waren Kampf- und Laufgräben. In den Kavernen harrten Offiziere und Mannschaft dem Augenblick entgegen, der sie von hilfloser Untätigkeit erlösen musste. In stickiger, verbrauchter Luft und mit schweißbedecktem Körper, von Hunger und brennenden Durst gepeinigt, mussten die Soldaten auf engstem Raum diese Höllenqualen über sich ergehen lassen. Die Anspannung stieg vom Morgengrauen an immer mehr, doch ließ der erwartete Infanterieangriff auf sich warten. Ein Artilleriefeuer von solcher Dauer hatte von den Landstürmern bisher noch keiner erlebt. Alles was nicht in den Felskavernen Unterschlupf gefunden hatte, war zermahlen und tot.

Nach endlosen 54 Stunden Feuervorbereitung begann der italienische Angriff. Schwerpunkte im Verteidigungsbereich des Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 waren die gut ausgebaute Sveta Katarina Stellung und die „Mittelkuppe“ auf Kote 333 am Südhang des Gabriele. Die Verteidiger der Kote konnten die Angreifer auf halbem Hang mit Handgranaten und dem Feuer der Maschinengewehre so rasch niederkämpfen, dass keiner der Gegner bis zum Graben herankam. Im Abschnitt links davon, in einem schwer zu verteidigenden Raum im vorzüglich ausgebauten Flügel der Katarina Stellung gelang es den Italienern ohne Schuss in den vordersten Graben zu kommen. Sie nahmen 2 Kavernenbesatzungen gefangen und drangen in einem nach rückwärts führenden Laufgraben so weit vor, dass Sie die Stellung auf der Kote 333 von der Südseite her umzingeln und in die rückwärtigen Kaverneneingänge Handgranaten werfen konnten. Dadurch war die Kuppenbesatzung in eine dramatische Lage mit geringer Bewegungsfreiheit geraten, denn Ihre große Kaverne war mit kurz vorher eingebrachten ital. Gefangenen des Inf.Rgt. Nr. 222 überfüllt. Die eingeschlossene Besatzung wehrte sich mit allen zur Verfügung stehenden Mittel im nachmittags wiedereinsetzenden Artilleriefeuer. Ein von der Bataillonsreserve in Kompaniestärke mit Handgranaten und Dolchmessern geführter Gegenstoß glückte und damit war die Stellung wieder fest in den Händen der Verteidiger. Versuche der Italiener in der Salcano-Schlucht durch zu stoßen wurden ebenso abgewehrt. Bis zum 5. Juni zog sich die mit besonderer Heftigkeit geführte Schlacht. Doch die Kompanien des Linzer Landsturms hielten tapfer Stand. Die Verluste waren groß, besonders durch das Feuer der schweren Minen, deren Explosionsdruck sehr stark war. Am 18. Mai beglückwünschte Kaiser Karl bei seinem Besuch in Veliki Zablie die Offiziere des Regiments zu den Erfolgen auf dem Monte San Gabriele.

MG Stellung bei Görz

Der nächste Kampfplatz für das Regiment war wieder der Panowitzer Wald, jener vom Kloster Castagnavizza nach Osten reichende, mit dichtem Eichenwald bestandene Höhenzug. Die Bäume waren bereits durch Geschützfeuer zerfetzt und verstümmelt. Anders als auf den bloß gelegten Karststeinhängen standen die Landstürmer im Panowitzer Wald auf rotbrauner Erde. Die Deckungen waren ausgezimmerte Fuchslöcher, zum Teil mit Leiterabstieg. Auf der Kote 174 war die Situation so, dass die Posten der Landstürmer von den italienischen nur durch eine verstärkte Sandsackmauer getrennt waren. In dieser zerschossenen Stellung, meist von jeder Verbindung abgeschnitten, machte das Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 auch die 11. Isonzoschlacht mit, welche mit dem Ringen um den Monte San Gabriele (Rückeroberung durch das IR. Nr. 14 Hessen) Anfang September 1917 einen blutigen Höhepunkt fand.

Mit 2 ungeheuren Isonzoschlachten war der Sommer 1917 ausgefüllt. Material- und Dauerschlachten waren sie zugleich, trotz enormer Anstrengungen war die italienische Armee zu keinem wirklichen Erfolg gekommen. Gerade noch rechtzeitig war der Cadorna Armee die Luft ausgegangen, denn die österr.-ungar. Truppen hätte den unerbittlichen Angriffen nicht mehr viel länger Stand gehalten. Was nun, war die Frage welche jeder an sich richtete. Werden die Mittel vorhanden sein um noch weitere solche Materialschlachten durchzukämpfen? Nur mehr ein Wunder konnte die Isonzo Armee retten – und das Wunder kam wirklich.

 

 

Dá Linzá Landsturm!

He, he! Was kimmt denn da dáher, ganz gmüatli und fidel!

Ja, is denn dös á Militär? Ná, so was siachst nöt schnell!

A jedá hátscht sein eigná Schriatt, als wia á Schüppl Gäns.

Sö sagn, dábei wird má nöt miad. Ja, ja, dö Leut vástehns.

Dö Lattn tragt á jedá grad, als wias eahm halt fallt ein.

An Extra-Pflanz, sagn´s, hat´s nöt not, Parade muaß nöt sein.

Am Buckl zárrn´s á Menge Sach, dá Brotsack bempert hint,

Towákrauch ziahgt in Wolk´n nach, dá Schwitz der stinkt und rinnt.

A Gschepprat macht das Bángánett mitn Spat´n áf dá Seit.

A jedá meutát, schimpft und redt, du hörst ás schon hübsch weit.

Und Sprach´n hört má durchánand, vamischt wia Ruab´n und Kraut.

An Diálekt vá jedn Land und behmisch b´sunders laut!

Wann´s abá stinkt wo an der Front, hat´s wo á wenig Málhör:

Wer´n andre Regimenter gschont, der Landsturm Zwoá muaß her!

Des is dá Landsturm Nummrá zwoa, vá Oberösterreich;

Wer´n oamal siahgt, sagt: „Wirkli woar, dem kimmt koa andrá glei!“

Max Gielge

Leutnant im Ldst.Inf.Rgt. Nr. 2

(Isonzo 1917)

 

 

Vom Isonzo zur Piave Oktober 1917 bis Februar 1918

Am Ende der 11. Isonzoschlacht tauchten erstmals Gerüchte auf, welche von einer Verstärkung der Isonzofront durch deutsche Truppen und einer Offensive sprachen. Tatsächlich plante das AOK die Durchführung einer Operation zur Entlastung der Isonzoarmee, bei welcher der Hauptschlag durch öst. ung. und deutsche Truppen aus dem Raum Tolmein und Flitsch geführt werden sollte. So war man im Oktober mit groß angelegten Täuschungsaktionen an der ganzen Front beschäftigt, welche von der bevorstehenden Offensive ablenken sollten. Unterdessen rollte Division auf Division in die Aufmarschräume. Mit dem 24. Oktober 1917 kam der historische Tag des Losschlagens und die letzte, 12. Isonzoschlacht begann, welche die Armee bis tief hinein in die venezianische Tiefebene führen sollte. Nach zähen und schweren Kämpfen und mit wesentlicher Beteiligung des deutschen Alpenkorps, kam die Offensive ins Rollen, welche als „Wunder von Karfreit“ in die Geschichte einging.

Besuch des Kaisers, Empfang durch die Offiziere des Regiments in Veliki Zablje, Oktober 1917

Dem k.k. Landsturmregiment Linz Nr. 2 (Lst.Inf.Rgt. Nr. 2), welches nach einigen Retablierungstagen nordöstlich von Görz bei San Marco in Stellung lag, war eine wichtige Aufgabe zugedacht. Um Mitternacht vom 28. auf den 29. Oktober begannen sich die italienischen Truppen auch im Görzer Becken aus ihren Stellungen zu lösen. Der Linzer Landsturm stellte ein „Verfolgungsdetachement“ welches aus dem Sturmzug, 2 Kompanien und 2 Zügen der MG Kompanie III/2 bestand, mit der Aufgabe die einzige noch erhaltene Isonzo-Brücke für den Übergang der eigenen Truppen zu sichern. Bei strömenden Regen stieß die Abteilung über das versumpfte Trichtergelände und durch Hindernisse über St. Peter in die finstere und zum Teil verbarrikadierte Stadt Görz vor. An den Stadtgrenzen war überall der Kampflärm der angreifenden Sturmtrupps hörbar. Noch in der finsteren Nacht, um 04.30 Uhr erreichten die Soldaten verschwitzt und vom Regen durchnässt die hölzerne Brücke, welche von den Italienern bereits zum Abbruch vorbereitet und mit Brandbündeln bestückt war. Der Kampflärm aus der Stadt wies darauf hin, dass sich dort noch italienische Nachhuten im Abwehrkampf befanden und für diese Teile wurde der Übergang über den Isonzo noch freigehalten. An der Brücke herrschte vollkommene Ruhe, doch die Annahme eines Hinterhalts mahnte zur Vorsicht. Von Norden her näherte sich eine lange Kolonne von Soldaten der Brücke. Es waren Italiener, welche erst im allerletzten Moment erkannten, dass ihr Rückweg durch die Maschinengewehre der Landstürmer bereits abgeriegelt war. Sie warfen ihre Gewehre weg und gaben sich gefangen. In der Morgendämmerung – es regnete in Strömen – wagte der Sturmzug gegen das jenseitige Ufer vorzugehen. Sofort eröffneten die Italiener das Feuer aus gut maskierten Maschinengewehren ein mörderisches Kreuzfeuer, welches den Angriff zusammenbrechen lies. Ein Landsturm Leutnant fiel auf der Brücke, seine Kameraden konnten sich auf das Görzer Ufer zurückziehen welches unter schwerstem Beschuss lag. Bis am späten Vormittag tobte der Kampf, in dem auch später noch das Sturmbaon. 16 eingriff. Mit Infanteriegeschützen und acht Maschinengewehren wurden die italienischen Stellungen bekämpft. Der Gegner hielt sich mit beispielloser Zähigkeit und verhinderte jeden Übergangsversuch. Erst am Nachmittag gelang es ersten Landstürmern das rechte Isonzo-Ufer zu erreichen. Gut gedeckte Italienische Schützen hielten die Brücke weiterhin unter Feuer, konnten aber den Vormarsch der 58. Division nicht weiter aufhalten. Das „Verfolgungsdetachement Ldst. 2“ drang bis zur Stadt Palmanova vor und erreichte diese als Spitze der Division!

FML Zeidler, der Verteidiger von Görz, stellte den Landstürmern anlässlich ihres Ausscheidens aus dem Verband der 58. ITD. ein gutes Zeugnis aus.

Bei der Wiedereroberung der durch zweieinhalb Jahre blutig umkämpften Stadt Görz wurden die einziehenden Soldaten vom klingenden Spiel mehrerer Musikkapellen begleitet, welche im Siegesrausch pausenlos aufspielten. Es ergab sich der makabre Umstand, dass sich in diese Melodien die Hilferufe der Schwerverletzten mischten, die beim Angriff auf die Brücke im feindlichen Feuer liegen blieben und noch nicht geborgen werden konnten. Der 29. Oktober 1917 wurde für das Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 ein besonderer Ehrentag – es erfolgte eine Besichtigung des Regiments durch Kaiser Karl – welcher am Nachmittag an der Spitze seiner treuen Landstürmer reitend, in die Stadt Görz einzog.

Die 1. Ldst.Brig. schied aus dem Verband der 58. ITD. aus und verblieb in den nächsten Tagen im Raum Görz, wo das Regiment bei der Bekämpfung von Bränden eingesetzt wurde. Nach der Mithilfe bei der Bergung des umfangreichen Kriegsmaterials wurde die Truppe am 10. November in die italienische Festung Palmanova verlegt. Nach weiteren Bergungs- und Sicherungsdienst kam das Regiment am 19. November nach Udine. Da die Stadt auch mit Deutschen Truppen belegt war, wurden Teile des Regiments in benachbarten Orten einquartiert. Strenger Wachdienst zur Verhinderung von Plünderungen und weitere Ausbildung bildeten dort die Beschäftigung. Weihnachten und Neujahr 1918 konnten die Soldaten endlich wieder einmal in einer geschlossenen Ortschaft, unbehelligt vom Feind, in einer schlichten und würdigen Weise verbringen. Dennoch machte sich zum Jahresende die immer schlechter werdende Versorgungslage bemerkbar.

Anfang 1917 bestand nicht die geringste Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg der k.u.k. Truppen, doch hatte der erst mit Deutscher Beteiligung möglich gewordene Sieg in der 12. Isonzoschlacht einen unglaublichen Erfolg vorgetäuscht und das Ende des Krieges nur hinausgeschoben. Trotz der riesigen Kriegsbeute fehlte es an der notwendigen Organisation in allen Belangen, vieles wurde verschwendet oder zerstört. Äußerlich standen die Mittelmächte glänzend da, aber innen war das Gebäude hohl und morsch geworden.

Mitte Jänner 1918 wurde das Regiment in Udine einwaggoniert und nach Portogruaro, in Richtung Piave verlegt, wo im Spätherbst die Offensive zu stehen kam. Dort gehörte das Lst.Inf.Rgt. Nr. 2 der Armeereserve an und wurde durch neu eingetroffene Marschformationen ergänzt. Diese neue Mannschaft kam aus polnischen, ruthenischen und tschechischen Gebieten und hatten nur eine vierwöchentliche Ausbildung absolviert. Schon am 2. Februar erfolgte der Abmarsch von Portogruaro in das Piave-Delta – der letzte Akt des Dramas hatte begonnen.

Die letzte Schlacht – Piave 1918

Anfang Februar 1918 erreichte das Ldst. Inf. Rgt. Nr. 2 nach mehrtägigen Fußmarsch das Mündungsgebiet des Piave und bezog die zugewiesenen Stellungen am rechten (östlichen) Piave-Ufer. Die ganze Gegend war durch einen von den Italienern herbeigeführten Dammbruch überschwemmt, die Stellungen der Feldwachen mussten je nach Wasserstand öfters gewechselt werden. Sofort wurde mit dem Ausbau der feuchten Stellungen begonnen. Auch an der weiteren Ausbildung der Landstürmer wurde gearbeitet; in Bocca Fossa fand ein Sturm- und Maschinengewehrkurs der Brigade statt. Unterdessen verstärkte der Feind seine Aktivitäten. Feuerüberfälle der Artillerie, besonders durch Minenwerfer, waren an der Tagesordnung. Das gute Wetter begünstigte auch die Fliegertätigkeit. Im Frühjahr nahm die Gefechtstätigkeit weiter zu, ununterbrochen gab es Geplänkel zwischen den eigenen und feindlichen Hauptposten und Feldwachen. Die täglichen Feuerüberfälle erforderten auch hier so manches Opfer. Bedenklich wurde der physische Zustand der Truppe und die Mehrung des Krankenstandes auf allen Hilfsplätzen. Die Verpflegung war mangelhaft und die Uniformen durch Wind und Wetter zermürbt. Nach drei Monaten Stellungskrieg wurde das Regiment am 7. Mai aus dem Piave-Delta durch den Wiener Landsturm abgelöst und marschierte bei strömenden Regen ins Hinterland zur Retablierung.

Doch bereits zwei Wochen später traf erneut ein Marschbefehl ein; das Regiment bezog am mittleren Piave Abschnitt zwischen der Susegana Brücke (Ponte Della Priula) und der Papadopoli Insel die zugewiesenen Stellungen. Die Gefechtstätigkeit war hier eher gering, jedoch stand die lange erwartete, große Offensive kurz bevor. Einsetzendes Schlechtwetter verzögerte die Vorbereitungsarbeiten sehr, dadurch musste auch der Angriffstermin auf den 15. Juni verschoben werden. Das Regiment hatte in seinen Stellungen zu bleiben und diese im Falle eines Rückschlages unbedingt zu halten. Um 3h morgens begann ein Zucken und Wettern von tausend Feuerschlünden und ein ungeheurer Donner rollt von den Alpen bis zum Meer. Mit verschwenderischen Munitionsverbrauch sollte das Artilleriefeuer der Infanterie den Weg ebnen und zeugte vom Kraftbewusstsein der Monarchie, das aber in Wirklichkeit nur mehr die letzten Anstrengungen eines Sterbenden war. Unter großen Verlusten kamen die k.u.k. Truppen über den Fluss, konnten an mehreren Stellen einen Brückenkopf bilden. Auch unsere Landstürmer hatten unter heftigen feindlichen Abwehrfeuer zu leiden, welches empfindliche Lücken in die Reihen riss. Der MG Abteilung gelang es, ein italienisches Caproni Flugzeug abzuschießen und die Besatzung gefangen zu nehmen. Doch verbluten die Verbände in zwecklosen Ringen in einem engen Raum, die Verbindung über den Fluss wird durch feindliche Flieger und Artillerie immer wieder unterbrochen. Letzten Endes erzwingt das anhaltende schlechte Wetter und einsetzende Hochwasser am 21. Juni den Abbruch der Angriffsschlacht. Die traurigen Reste der tapfer Kämpfenden mussten sich auf die Ausgangsstellungen zurückziehen. Die Offensive war gescheitert, die Opfer umsonst.

Offiziere des II. Bataillons, Venetien 1918

Das Ldst. Inf. Rgt. Nr. 2 war durch den monatelangen Stellungskampf zermürbt und die Zahl der Kranken stieg beängstigend. Der schlechte Ernährungszustand der Soldaten, die gravierenden Nachschubprobleme und die fürchterliche Hitze zeigten Wirkung. Am 11. Juli wurde das Regiment abgelöst und bildete die Brigadereserve in Mareno di Piave. Dort war den Landstürmern wieder etwas Ruhe gegönnt, nur ab und zu störten Fliegerbomben oder Granaten aus weittragenden Geschützen die Erholung. Im beginnenden Herbst nahm die feindliche Fliegertätigkeit stark zu, die englischen und italienischen Maschinen eroberten sich die vollständige Herrschaft über den Luftraum. Da mit einem italienischen Angriff gerechnet werden musste, wurde das Regiment in der Durchführung von Gegenangriffen geschult, es gab mehrfache Alarmierungen und Verschiebungen seiner Bataillone.

Am 24. Oktober begann der feindliche Großangriff mit verheerenden Trommelfeuer auf die eigenen Dammstellungen am Piave-Fluss. Das englische 24. Korps nahm die Insel Papadopoli in Besitz und konnte den Einbruch noch einige Kilometer erweitern. Der Linzer Landsturm hielt seine Stellungen südlich der gesprengten Piave-Brücke tapfer, musste jedoch am 27. Oktober befehlsgemäß hinter den Monticano-Bach zurückgehen. Dabei überstürzten sich die Ereignisse. In den Nachbarabschnitten kam es zu ersten Meutereien nichtdeutscher Truppen. Dadurch konnten die Engländer bis über den Monticano-Bach vorstoßen. Das Ldst. Inf. Rgt. Nr. 2 wurde zum Gegenstoß vorgeschickt und konnte die englischen Truppen wieder über den Bach zurückwerfen. Aber der Gegner ließ nicht locker und griff unter Einsatz starken Feuers erneut an. Die Verbände des Regiments wurden dabei auseinandergerissen und konnte sich erst wieder einige Kilometer östlich sammeln. Eine neue Hiobsbotschaft von der Meuterei einer tschechischen Schützendivision traf ein. Daher wurde das Regiment hinter den Fluss Livenza zurückbeordert, an deren Ostufer es vom 29. bis 30. Oktober lagerte. Die italienische Offensive hatte mit alliierter Unterstützung ihren Einbruch stark erweitern können, Teile der Armee Boroevic gingen bereits gegen den Tagliamento Fluss zurück. Das Linzer Landsturmregiment war durch die Kämpfe der letzten Tage stark zusammengeschmolzen und durch Hunger – es gab tagelang keine Verpflegung – und völlig schlaflose Nächte, quasi kampfunfähig geworden. Am 31. Oktober begann der Rückmarsch, durch einen Fliegerangriff ging auch noch der Gefechtstrain verloren. Das Regiment setzte in einem Nachtmarsch über die Tagliamento Brücke und bezog am 1. November westlich von Codroipo Vorposten. Am übernächsten Tag kamen weitere Rückzugsbefehle und trotz des allgemeinen Chaos konnte ein großer Teil des Zweier Landsturms am 4. November die Gegend bei Udine erreichen. Auf Grund einer unterschiedlichen Auslegung der am 3. November 1918 unterzeichneten Waffenstillstandsvereinbarungen geriet das I. Bataillon als ein Teil von 360.000 k.(u.)k. Soldaten in italienische Kriegsgefangenschaft.

Ohne Proviant ging der Rest des Regiments weiter zurück nach Solkan bei Görz, wo ein Teil der Pferde geschlachtet werden mussten um die hungrigen Landstürmer zumindest notdürftig verpflegen zu können. Der Marsch wurde bis am 11. November fortgesetzt, da konnte in Bischoflack (Krain, nördlich Laibach) einwaggoniert werden. Mit der Bahn, in einfachen Güterwaggons und ohne Verpflegung ging es weiter nach Bruck an der Mur, dort wurde der Transport geteilt. Polen, Ruthenen, Tschechen und Wiener wurden über den Semmering geleitet, Salzburger und Oberösterreicher über das Selzthal dirigiert. Die Erlaubnis, dass jeder Mann in der seinem Heimatort nächsten Station den Zug verlassen könnte, wurde natürlich gründlich ausgenützt. „Frühmorgens am 15. November 1918, traf von dem einst in heller Begeisterung im August 1914 ins Feld gezogenen k.k. Landsturm Infanterieregiment Nr. 2 ein zerschlagener, müder Rest von 16 Offizieren, 615 Mann mit 29 Pferden und 7 Fahrküchen auf dem Bahnhof in Linz ein. In alle Winde zerstreut, zermürbt und für die heldenhafte Verteidigung der eigenen Heimat unbedankt, so mussten die Soldaten ihre Heimat wiedersehen, ohne dass ihnen ein Gruß zuteil wurde …“

Erst in den späten Zwanziger Jahren begannen sich Soldatenverbände zu organisieren, erste Wiedersehensfeiern und Traditionstage wurden veranstaltet. An der Linzer Stadtpfarrkirche wurde vom „Kameradschaftsbund des ehem. Zweier-Landsturm“ eine Gedenktafel errichtet. Heute, wo alle Landstürmer von damals längst verstorben sind, ist auch die Geschichte des Landsturms schon beinahe in Vergessenheit geraten.

Quellen

„Der Heldenweg des Zweier-Landsturm 1914 – 1918“ hrsg. Kam. Bund des Zweierlandsturms Linz 1936;
TRUPPENDIENST 3/1970 „Zur Geschichte der Landwehr in Österreich“ Oberst Anton Wagner;
„So zogen sie ins Feld“ Hermann Hinterstoisser Museum Burg Golling 2005;
Schneider „Die Kriegserinnerungen 1914 – 1919“ hrsg. Oskar Dohle 2003;
Fotos Archiv Mil. Wissenschaftl. Abt. der LINZER ZWEIER.